Der Spitzenkandidat 310 SPD-Delegierte waren nach Stuttgart gefahren, um das Regierungsprogramm ihrer Partei zu diskutieren. Auf dem Landesparteitag taten sie das ausgiebig. Das Unwort des Jahres – „alternativlos“ - gab Leni Breymaier, der stellvertretenden Landesvorsitzenden der SPD Baden-Württemberg, das willkommene Stichwort für ihre Begrüßungsrede. So wenig wie die Politik der schwarz-gelben Bundesregierung alternativlos sei, so wenig sei die Vorherrschaft der CDU im „Ländle“ für alle Zeiten festgeschrieben. Im Gegenteil: „Genug ist genug“ war die Botschaft des Spitzenkandidaten für die Landtagswahl am 27. März, Dr. Nils Schmid in seiner kämpferischen Rede. Aber davon später.
Dass die SPD auf Verbündete rechnen kann, bewiesen die Grußbotschaften von Nikolaus Landgraf, dem DGB-Landesvorsitzenden und Volker Stich, dem Vorsitzenden des baden-württembergischen Beamtenbundes.
Ein Hauptverbündeter aus dem eigenen Lager war gekommen – Kurt Beck, der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz. Ihm bereitete der Parteitag „standing ovations“, konnte er doch in seiner Rede berichten, wie ein Bundesland erfolgreich sozialdemokratisch regiert werden kann.
Nun war Nils Schmid an der Reihe. Er griff die noch regierende CDU scharf an. „Verbraucht“ sei sie. Ihr Versuch, sich die Überwindung der Finanzkrise als Erfolg auf die eigene Fahne zu schreiben, sei unberechtigt, in Wahrheit habe Peer Steinbrück die richtigen Ideen geliefert. Harsche Kritik übte er am Ministerpräsidenten Mappus, der seinen im Prinzip positiv zu bewertenden EnBW-Deal am Landtag vorbeigeschleust habe.
Schmid blieb aber nicht bei Kritik stehen. Er zeigte auf, was er mit einer SPD-geführten Regierung besser machen will: Die verfehlte Bildungspolitik soll ersetzt werden durch eine, in der die Herkunft nicht das Schicksal der Kinder bestimmt. Die Bevölkerung soll frühzeitig in die Planung von Großprojekten einbezogen werden – das Thema Stuttgart 21 nimmt er zum Anlass zur Aussage „Wir verstehen mehr als nur Bahnhof“.
Das Tariftreugesetz des Nachbarlandes Rheinland-Pfalz, das den Zuschlag zu öffentlichen Aufträgen von tariflicher Entlohnung der Arbeitnehmer bei den Anbietern zur Bedingung macht, wird er übernehmen. Dazu passt auch sein Kommentar, dass ein Hotelzimmerpreis von 300 € nicht im Einklang mit einem Stundenlohn von weniger als 5 € für das Zimmermädchen stehe. Auch einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz ab dem zweiten Lebensjahr will er verwirklichen.
Das sind nur einige Beispiele aus der Rede des Spitzenkandidaten, die lang anhaltenden Beifall der Delegierten erntete. Wenn es nach dem ginge, wäre die Landtagswahl gelaufen. Allerdings gilt es auch noch, einen in den Reden wenig genannten Verbündeten, die Grünen, in der Wählergunst zu überholen. Die Delegierten waren überzeugt, dass die SPD das schaffen kann.
Dazu gehört viel Kleinarbeit. Der unterzogen sich die Genossinnen und Genossen willig und diskutierten bis in den späten Abend das Regierungsprogramm und die dazu vorgelegten Änderungsanträge. Im Mittelpunkt standen Präzisierungen, die die Forderung nach mehr Gerechtigkeit im Lande zum Ziele hatten.
Man reiste optimistisch nach Hause in Erwartung des versprochenen Telefonats, mit dem sich Nils Schmid und Kurt Beck am 27. März gegenseitig zum Wahlsieg gratulieren wollen.
Dieter Lattermann